Einleitung: Die deutschsprachige Europarechtswissenschaft und ihre Rolle in Europa

Printer-friendly version

Abstract: For the first time, a German language Special Focus is to be published in the European Forum of European Papers. One of the key questions in EU law is what it means to be part of a scientific community whose object of study are legal norms existing in a multiplicity of languages and legal cultures. As the European Forum starts to accept German language manuscripts next to English, French, Italian and Spanish texts, the authors of the present Special Focus inquire in various ways into the role, structure and issues of the German-speaking community of EU law scholars. After a short introduction, the various papers are briefly presented, followed by an exposition of European Papers’ mission and some details about how to submit manuscripts, all of it in German, as a welcoming message for hopefully many future German language submissions to the journal.

Keywords: German language – EU legal science – law and language – deutschsprachigEuroparechtswissenschaftSprache und Recht.

I.   Einleitung zum Sonderheft „Die deutschsprachige Europarechtswissenschaft und ihre Rolle in Europa“
i.1.    In Vielheit geeint

Europa, in Vielheit geeint. Dieses Motto der Europäischen Union betont zum einen die Existenz vieler verschiedener europäischer Kulturen, Traditionen und Sprachen. Daraus wird aber auch normativ abgeleitet, dass es gerade diese Diversität ist, die es ermöglichen soll, sich gemeinsam für Frieden und Wohlstand auf dem europäischen Kontinent einzusetzen.[1] Artikel 22 der EU Grundrechtecharta stellt im Indikativ fest: „Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.“ Ob diese Vielfalt mehr Hindernis oder doch Ermöglicher eines europäischen demos als Grundlage einer europäischen Demokratie darstellt, ist durchaus umstritten.[2] Klar ist jedenfalls, dass die Europäische Union ohne diese Vielfalt nur schwer vorstellbar ist. Dementsprechend muss sich auch die Wissenschaft vom Europarecht mit ihr befassen.[3]

i.2.    Die deutschsprachige Europarechtswissenschaft

Was bedeutet es, Teil einer Wissenschaftsgemeinschaft zu sein, welche als Untersuchungsgegenstand vornehmlich sprachlich gefasste Rechtssätze hat und aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sprachen, ja sogar unterschiedlicher Rechtskulturen besteht? Die Europarechtswissenschaft sollte sich dieser Frage jedenfalls nicht entziehen. Zum einen ist es ihr Gegenstand, das Europarecht, welcher eine Berücksichtigung dieser Vielfalt unumgänglich macht. Zum anderen ist man als Mitglied der Europarechtswissenschaftsgemeinschaft mit der Vielfalt der darin aktiven Akteure konfrontiert – ob man will oder nicht. D.h., es ist zwar möglich isoliert nur die Rezeption des Europarechts in einer bestimmten Rechtsordnung in den Blick zu nehmen.[4] Dadurch wird allerdings ein großer relevanter Teil ausgeblendet.[5] Die Europarechtswissenschaft besteht in so vielen Teilgebieten, wie sie Mitgliedstaaten hat. Das implizieren die unterschiedlichen Rechtskulturen aber auch Sprachen. So stellt sich bspw. durchaus die Frage, ob es eine spezifisch österreichische Europarechtswissenschaft gibt,[6] oder ob bestimmte Thesen explizit auf die deutsche Europarechtswissenschaft zutreffen können[7].

Eine Besonderheit der deutschsprachigen Rechtswissenschaft und so auch der deutschsprachigen Europarechtswissenschaft ist die stark ausgebildete und durchaus positiv besetze „Dogmatik“, die sich bspw. in zahlreich vorhandenen Kommentarwerken niederschlägt.[8] So gibt es auch im Europarecht eine große Zahl an deutschsprachigen Kommentaren zu den Europäischen Verträgen sowie unzählbare Hand- und Lehrbücher.[9]

i.3.    (Europa-)Rechtswissenschaft als Sprachwissenschaft

Rechtswissenschaft ist zudem (auch) eine Sprachwissenschaft.[10] Diese Einsicht betrifft die Europarechtswissenschaft in ganz besonderem Maße. Die meisten Rechtsnormen werden mithilfe von Rechtssätzen, d.h. sprachlichen Ausdrücken vermittelt und i.d.R. schriftlich festgehalten. Eine zentrale juristische Methode zur Auslegung von Rechtstexten wird als „grammatikalische Interpretation“ bezeichnet, worunter die Identifikation der – durch einen sprachlichen Ausdruck vermittelten – Verhaltensanordnung verstanden wird. Unweigerlich spielt demzufolge die dem Rechtssatz zugrunde liegende Sprache eine große Rolle.[11]

Die EU hat aufgrund der Diversität der Mitgliedstaaten gegenwärtig 24 verschiedene Amtssprachen. Die Rechtsvorschriften zum Sprachgebrauch in den EU-Institutionen wurden vom Rat einstimmig durch Verordnungen festgelegt. Artikel 342 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besagt, dass „[d]ie Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union […] unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Rat einstimmig durch Verordnungen getroffen [wird].“ Verordnung (VO) Nr. 1 regelt sohin die Sprachenfrage und bestimmt die Gleichwertigkeit aller 24 EU-Amtssprachen,[12] wenngleich gewisse bekannte Ausnahmen wie die Sprachenregelung am Gerichtshof, und de facto wohl – trotz Brexit – auch in anderen Institutionen die Dominanz von Englisch bestehen.[13]

i.4.    Gelingensbedingungen für eine gemeinsame – d.h. europaweite – Europarechtswissenschaft

Was ist notwendig, damit alle europarechtswissenschaftlichen Teilsysteme zu einem funktionierenden und vor allem miteinander kommunizierenden großen Ganzen werden? Der Versuch eine gemeinsame Sprache für Europa zu schaffen, wird auf absehbare Zeit unrealistisch bleiben, wenngleich Polen und Kroatien „Esperanto“, dem wohl bekanntesten Ansinnen eine internationale gemeinsame Sprache zu konzipieren, zumindest den Status von immateriellem Kulturerbe zugesprochen haben.[14] Bevor es ein derartiger Versuch tatsächlich zur offiziellen Amtssprache, die auch tatsächlich in der EU gebraucht wird, schafft, werden wohl eher maschinelle Sprachübersetzungsprogramme wie bspw. „DeepL“ oder „Google Translate“ die Kommunikation basierend auf neuronalen Netzen erheblich erleichtern. Bis es soweit ist, wird allerdings die Mehrsprachigkeit Bestandteil einer gemeinsamen Europarechtswissenschaft sein. Wegweisend für eine europaweit gemeinsame Europarechtswissenschaft ist folglich der Austausch zum einen über wissenschaftliche Vereinigungen als auch über gemeinsame Medien wie Fachzeitschriften. Während die Internationale Föderation für Europarecht (FIDE) eine alteingessene Vereinigung ist,[15] welche ein derartiges Unterfangen fördert, gibt es auch anderweitige Veranstaltungen wie bspw. jene der Young European Law Scholars Conference, die arrivierte Europarechtswissenschaftler:innen mit jüngeren Kolleg:innen zusammenbringt.[16] Als gemeinsame Medien kommen insbesondere englischsprachige Fachzeitschriften wie die „Common Market Law Review“ oder auch diverse Blogs wie der „European Law Blog“ in den Blick. Wenngleich der Austausch auf Englisch hierüber gewissermaßen funktioniert, fehlt es an einem Medium, welches Mehrsprachigkeit zulässt, aber zugleich ein zentraler Ort ist, der Orientierung gibt. Genau diese Lücke zu schließen hat sich European Papers zur Aufgabe gemacht. Während bisher englisch-, französisch-, italienisch- und spanischsprachige Beiträge online und open access veröffentlicht wurden, wird diese Plattform nun um die Möglichkeit erweitert auch deutschssprachigen Arbeiten ein Zuhause zu geben, welches über die Landesgrenzen hinaus Wahrnehmung verspricht, auch wenn die Beiträge auf Deutsch verfasst werden. Dies ermöglicht es bspw. jenen Europarechtswissenschaftler:innen, die der deutschen Sprache mächtig sind, und die dennoch aus verschiedenen Gründen nicht regelmäßig deutschsprachige Fachzeitschriften oder Bibliothekskathaloge heranziehen würden, einfach Zugang zu aktuellen deutschsprachig geführten Debatten im Europarecht zu ermöglichen. Damit soll ein Beitrag zur Vergemeinschaftung der Europarechtswissenschaft geleistet werden.[17] Dieses Sonderheft ist der Auftakt für hoffentlich zahlreiche weitere deutschsprachige Beiträge.

II.  Die Beiträge zum ersten deutschsprachigen Sonderheft (special focus) von EP

Als Herausgeber dieses ersten deutschsprachigen Sonderhefts sahen wir uns in der Verantwortung, mehrere Entscheidungen bereits bei der Einwerbung von Beiträgen zu treffen. Wir beschlossen, die Themenstellung bewusst offen zu halten, um möglichst vielfältige Reflektionen und Einordnungen zuzulassen. Letztlich soll sich die deutschsprachige Rechtswissenschaft in all ihrer schillernden Vielfältigkeit selbst vorstellen. Dennoch nannten wir mögliche Ankerpunkte, nämlich die Rolle und Tradition der deutschen Rechtssprache im Unionsrecht, aber auch konkretere Fragen wie die Rolle des Deutschen in den Unionsinstitutionen oder die Rechtsetzungs- und Übersetzungspraxis des Unionsrechts. Insbesondere dachten wir auch an die in der deutschsprachigen Europarechtswissenschaft so wirkmächtige Rolle der Rechtsdogmatik sowie an theoriegeleitete Beiträge. Willkommen waren außerdem interdisziplinär ausgerichtete Beiträge und überhaupt weitere Ideen von interessierten Autor:Innen. Schließlich wollten wir Innen- und Außenperspektiven auf die deutschsprachige Europarechtswissenschaft zusammenführen und fragten daher auch Personen an, für die Deutsch nicht die Erstsprache ist und/oder die nicht im deutschsprachigen Raum rechtswissenschaftlich tätig waren. Erfreulicherweise griffen, wie das Sonderheft zeigt, unsere Autor:Innen diese und andere Aspekte auf vielfältige Art und Weise auf.

a) Dana Burchardt

Die Auswirkung von Sprache auf das Verhältnis von Europarechtswissenschaft und Forschung zum inter- und transnationalen Recht wird von Dana Burchardt in ihrem kurzen Beitrag („highlight“) hervorgehoben. Dabei fällt insbesondere der Unterschied zwischen der deutschsprachigen Europarechtscommunity und derjenigen, die inter- und transnationales Recht erforscht auf. Während erstere vornehmlich auf die deutsche Sprache beschränkt ist, ist letztere augenscheinlich sprachlich offener.

b) Diane Fromage und Paul Weismann

Diane Fromage und Paul Weismann behandeln die Übersetzungspraxis von Verfassungsgerichten und bringen diese in Zusammenhang mit deren Beitrag zur deutschsprachigen Europarechtswissenschaft. In ihrem „highlight“ werfen sie einen Blick auf die Übersetzungspolitik des deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (VfGH) sowie des französischen Conseil constitutionnel (CC). Während in allen drei Fällen die Zahl der zur Verfügung gestellten Übersetzungen in den letzten 25 Jahren erheblich zugenommen hat, zeigt sich, dass das BVerfG und der VfGH am häufigsten ins Englische übersetzen. Der CC hingegen übersetzt nicht nur (anteilig) mehr Entscheidungen, sondern auch in verschiedene Sprachen (u.a. auch ins Deutsche).

c) Marcus Klamert

Marcus Klamert fragt in seinem kurzen Beitrag, ob zwar eine Einheit des Rechts aber nicht der Wissenschaft besteht. Er argumentiert, dass die Forderung nach einer Rechtsgemeinschaft, einer Rechtsunion oder einem Rechtsraum in Bezug auf die Europäische Union auch eine einheitliche wissenschaftliche Gemeinschaft voraussetze. Allerdings fehlt ein gemeinsamer wissenschaftlicher Raum, wofür er gleich mehrere Gründe, aber auch einige Lösungsvorschläge zur Verbesserung anbietet und mit einem optimistischen Ausblick schließt.

d) Markus Kotzur

Von der Macht der Sprache im Europäischen Rechtsdiskurs berichtet Markus Kotzur aus einer deutschen Perspektive. Da Recht und Jurisprudenz sowie die Weiterentwicklung von Recht sprachgebunden sind, gibt es nach ihm einen Wettbewerb um neue Rechtsfiguren und normative Konzepte. Gerade die Verfassungsdebatte in Europa zeige das Ringen aller rechtsschaffenden und durchsetzenden Akteure, welches nicht mit einfachen Analogien aus dem staatlichen Recht entschieden werden könne. Funktionsspezifische Anpassungen oder Modifikationen der regulativen Idee der Verfassung spiegeln sich demzufolge auch in der Begriffsbildung wider. Während sich das Konzept des sog. „Mehrebenen-Konstitutionalismus“ als besonders wirksam erweist und auch im englischsprachigen Diskurs Widerhall erfährt, hat gerade die deutsche Europarechtswissenschaft darüber hinaus weitere Konzepte („Staatenverbund“, „Verfassungsverbund“, „Verfassungsgemeinschaft“ etc.) beigesteuert. Gerade die Schwierigkeiten, die sich bei der Übersetzung dieser und weiterer Begriffe ergeben, zeigen – so Markus Kotzur – sowohl die Notwendigkeit als auch die Grenzen eines gemeinsamen europäischen Rechtsdiskurses.

e) Tobias Lock

Tobias Lock stellt Gedanken zum Austausch zwischen der deutsch- und der englischsprachigen Europarechtswissenschaft vor und fragt, warum deutschsprachige Europarechtswissenschaftler:innen in Großbritannien und Irland so wenig in ihrer Muttersprache publizieren. Für dieses Phänomen führt er drei Erklärungsversuche an. Einmal dominieren im Vereinigten Königreich die Vorgaben im Rahmen des Research Excellence Frame (REF), welche deutschsprachige Beiträge nicht belohnen. Außerdem gibt es unterschiedliche methodische Ansätze in der deutsch- und englischsprachigen Europarechtswissenschaft. Zuletzt spekuliert Tobias Lock, könnte auch der Brexit eine mögliche Triebfeder für die Abkehr von der Europarechtswissenschaft im Vereinigten Königreich ansässige Akademiker:innen dazu führen, dass deutschsprachige Beiträge auf keinen großen Widerhall stoßen.

f) Andreas Müller

Andreas Müller wirft in seinem Beitrag die Frage auf, ob man von einer eigenen österreichischen Europarechtswissenschaft sprechen kann. Um die Frage zu beantworten, untersucht er den Einfluss der rechtspositivistischen Tradition im Sinne Kelsens in Österreich, die rechtlichen Rahmenbedingungen der österreichischen Mitgliedschaft in der EU und spezifische empirische Faktoren der österreichischen Europarechtswissenschaft und -praxis. Im Ergebnis lassen sich für ihn durchaus Argumente für das Bestehen einer eigenen österreichischen Europarechtswissenschaft finden.

III. Zukunftsaussicht: Veröffentlichen von deutschsprachigen Insights, Highlights und Abhandlungen in der multilingualen open access Fachzeitschrift European Papers
iii.1.  Die Vision von European Papers

“European Papers ist als ein kulturelles Projekt konzipiert: ein Instrument zum Nachdenken über die europäische Integration als Mittel zur Schaffung einer neuen politischen Gemeinschaft.

European Papers versteht sich als Teil der Debatte über den Prozess der europäischen Rechtsintegration, über seine Ursachen und seine Funktionsweise, über seine weitreichenden Verflechtungen mit anderen gesellschaftlichen Ereignissen. Ihre Aufgabe ist es, die Aufmerksamkeit auf die vielfältigen Formen der Integration Europas und auf die weitreichenden Auswirkungen dieses Prozesses zu lenken. Darüber hinaus erfordert eine solche Reflexion einen umfassenderen Dialog zwischen der juristischen Erfahrung und anderen Formen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Integration.

Eine juristische Fachzeitschrift als Instrument für eine kulturelle Mission zu konzipieren, erfordert eine Reihe von unausweichlichen Schritten. Dieses Konzept setzt voraus, dass die traditionellen Hürden der Sprache, der Nationalität und der Traditionen überwunden werden. European Papers könnte eine ideale Gelegenheit sein, diesem Anspruch gerecht zu werden, und zwar durch seine multinationalen Leitungsgremien, deren Mitglieder das Ideal und die kulturelle Philosophie der Zeitschrift teilen.

Dies bedeutet auch die Fähigkeit, gegensätzliche Bedürfnisse miteinander zu vereinbaren. Auf der einen Seite wollen wir eine wissenschaftliche Debatte über die theoretischen Grundlagen des europäischen Integrationsprozesses in seinen vielfältigen Ausprägungen fördern. Andererseits erfordert die stürmische Entwicklung dieses Prozesses, die sich täglich vollzieht, eine ständige Auseinandersetzung mit den Ereignissen, die sich unaufhörlich vor unseren Augen abspielen.

Um diese scheinbar gegensätzlichen Bedürfnisse miteinander in Einklang zu bringen, haben wir European Papers in zwei Teile gegliedert: ein viermonatlich erscheinendes e-Journal - d. h. eine elektronische und frei zugängliche Zeitschrift, die unseren Glauben an den offenen und freien Charakter der wissenschaftlichen Forschung unterstreicht – und ein ‘kämpferisches‘ Europäisches Forum, das als Brutstätte intellektueller Diskussionen, als Brutstätte für Ideen und als unverzichtbares Instrument zur Aktualisierung und zum Kontakt mit den neuesten Entwicklungen gedacht ist.

Schließlich die unausweichliche Frage der Sprache. Der Anspruch von European Papers, Gesprächspartner für einen offenen Adressatenkreis zu sein, setzt eine mehrsprachige Option voraus. Aus Gründen der Einheitlichkeit und der Notwendigkeit, eine breitere, potenziell universelle Leserschaft zu erreichen, wäre dagegen eine einzige gemeinsame Sprache angebracht. Die kompromisslose Lösung für ein kompromissloses Projekt war die Annahme einer zweigleisigen Vorgehensweise: Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch und nunmehr auch Deutsch für das Europäische Forum; Englisch für das viermonatlich erscheinende E-Journal.

***

European Papers ist nicht durch vorgefasste Ideen oder Ideologien inspiriert. Es wurde als ein Bereich konzipiert, in dem alle Hypothesen über den Integrationsprozess in Europa frei überprüft und diskutiert werden können. Es soll ein lebendiges Laboratorium für die Analyse eines sozialen Phänomens sein, dessen Einzigartigkeit gegenüber den zeitgenössischen rechtlichen und politischen Kategorien weithin anerkannt ist. European Papers hat jedoch den Ehrgeiz, über diese Anerkennung hinauszugehen und Tag für Tag sowohl die technischen als auch die konzeptionellen Merkmale dieses Phänomens zu würdigen, in der Überzeugung, dass dies der Weg ist, auf dem die wissenschaftliche Erkenntnis voranschreiten kann.

Wir hoffen, dass wir auf diesem undurchlässigen Weg nicht allein gelassen werden”.[18]

iii.2. Zukünftige auch deutschsprachige Beiträge zum Europäischen Forum bei European Papers

Als multilinguales Forum für den rechtswissenschaftlichen Dialog über die europäische Integration veröffentlichte die Zeitschrift European Papers bisher Beiträge auf Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Eines ihrer Kernziele ist es, die Europarechtswissenschaft in ihrer Vielsprachigkeit in einem Medium, das open access zugänglich ist, zusammenzubringen. Neuerdings werden sowohl für das «Journal» als auch für das «European Forum», deutschsprachige Beiträge angenommen. Die damit einhergehende Zeitenwende bei European Papers dürfen wir mit der ersten deutschsprachigen Sonderausgabe (Special Focus) des European Forum einläuten.

Thematisch ist das Europäische Forum unterteilt in Beiträge zu folgenden Generalthemen: i) Die verfassungsrechtliche Dimension der Europäischen Union; ii) Binnenmarkt - Freizügigkeit und Wettbewerbsrecht; iii) EU-Politiken und der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts; iv) Die europäische Integration durch Menschenrechte; v) Die internationale Dimension der europäischen Integration.

Beiträge für das Europäische Forum können entweder die kurze Form eines Highlights (bis zu 1.000 Wörter inkl. Fußnoten) oder die etwas längere Form eines Insights (bis zu 5.500 Wörter inkl. Fußnoten) annehmen. Weiterführende Informationen (Formatvorlage (Word), Style Guide der Zeitschrift mit näheren Angaben zum Zitierstil und zu anderen Formalia) finden sich auf der Homepage der Zeitschrift.[19] Um den Austausch über unterschiedliche Sprachen hinweg zu fördern, werden nicht-englischsprachige Beiträge um einen Abstract auf Englisch ergänzt, damit der Inhalt des Beitrags in Kurzform für möglichst viele zugänglich wird. Wie es für alle Beiträge von European Papers Standard ist, werden die Beiträge einem «Peer Review» unterzogen. Wir hoffen mit diesem Sonderheft Ihr Interesse geweckt zu haben und so ein klein wenig zur bewunderns- und begrüßenswerten Mission von European Papers beigetragen zu haben.

--------------------
European Papers, Vol. 8, 2023, No 1, European Forum, Insight of 24 May 2023, pp. 67-76
ISSN 2499-8249 - doi: 10.15166/2499-8249/635

* Prof. Dr. iur. habil. Lando Kirchmair, Vertretungsprofessor für Nationales und Internationales Öffentli-ches Recht mit dem Schwerpunkt Kulturgüterschutz, Universität der Bundeswehr München, lan-do.kirchmair@unibw.de.

** PD Dr. iur. Benedikt Pirker, LL.M., Lehr- und Forschungsrat, Lehrstuhl für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht, Universität Freiburg i. Üe, benedikt.pirker@unifr.ch.

Die Reihenfolge der Namensnennung ist alphabetisch, die Autoren sind gemeinsam für den Inhalt ver-antwortlich. Besonderer Dank gilt Paula Gadola, Stefanie Havalda und Louise Tinguely für die redaktio-nelle Unterstützung.

[1] Seit 2000 ist dies – nach einem Schülerwettbewerb (allerdings in folgender Fassung: „Einheit in Vielfalt“) – das Motto der Europäischen Union (welches in der Präambel als auch in Art. I-8 des Verfassungsvertrages normativ verankert gewesen worden wäre). In Indonesien ziert das Motto „Einheit in Vielfalt“ („Bhinneka Tunggal Ika“) das Staatswappen und soll als vereinendes Verdikt wirken, welches die über 300 verschiedenen Ethnien, ca. 250 Sprachen, und der über 6.000 bewohnten Inseln zur Gemeinschaft verbinden will. Vgl. hierzu J Knörr, ‘Einheit in Vielfalt? Zum Verhältnis ethnischer und nationaler Identität in Indonesien‘ (2012) 11-12 in Aus Politik und Zeitgeschichte 16-23 (Abbildung des Adlers inkl. Spruchbandes auf S. 21). B Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts (Berlin, Ullstein 1998 Übers. v. B Burkard und C Münz [original Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism (1983)]) S. 9-10, welcher indonesian studies studiert hatte, von einer Übersetzertätigkeit 1963 einer Rede des damaligen indonesischen Präsidenten Sukarno berichtet. Im Vorwort zur deutschen Übersetzung seines Buches erzählt er, dass ihn u.a. die Wahrnehmung europäischer Nationen aus anderer Perspektive sowie die Selbstbezeichnung der Indonesier:innen als ebensolche trotz ihrer vergleichsweise jungen Nation zu seiner Abhandlung inspiriert haben.

[2] Vgl. hierzu bspw. A Jakab und L Kirchmair, ‘The Constitutional Dimension‘ in M Segers und S van Hecke (Hrsg.), Cambridge History of the EU, Vol. II (Cambridge University Press iE).

[3] Zu berücksichtigen gilt es allerdings, dass sowohl innerstaatliche, aber eben auch europäische Diskussionen nur ein Teil des Ganzen sind; ergo gilt zwar das Motto in Vielheit geeint, die Einheit kann aber auch trennend wirken: D Thym, ‘Zukunft und Zustand der Europarechtswissenschaft in Deutschland‘ (2015) EuR 671-702 (680-2).

[4] Vgl. zur unterschiedlichen wissenschaftlich-dogmatischen Erfassung des Europarechts aufgrund der Sprachen-, Rechtskulturen- und Traditionsvielfalt, A Hatje und P Mankowski, ‘Nationale Unionsrechte. Sprachgrenzen, Traditionsgrenzen, Systemgrenzen, Denkgrenzen‘ (2014) 49 (2) EuR 155-169; dementsprechend zumindest das Bewusstsein eines jeden und einer jeden für die sich der daraus ergebenden besonderen Herausforderungen des Europarechts und seiner Wissenschaft auffordernd: C D Classen, ‘Unionsrecht als Integrationsrecht verstehen! Zu Selbstverständnis und Perspektiven der Europarechtswissenschaft‘ (2020) 68 Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 489, 513.

[5] Siehe bspw. D Thym, ‘Die Einsamkeit des deutschsprachigen Europarechts‘ (29. Mai 2014) Verfassungsblog verfassungsblog.de.

[6] Siehe hierzu A Müller in diesem Sonderheft.

[7] Siehe hierzu M Kotzur und D Burchardt in diesem Sonderheft.

[8] Siehe F C Mayer, ‘EU law scholarship from a German perspective: A tale of parallel universes?’ (21 April 2021) 53 EU Law live - Weekend Edition 8-13 eulawlive.com, der manquiert, dass diese umfassende Kommentararbeit ausschließlich auf Deutsch verfasst ist. Für eine Ausnahme siehe allerdings R Geiger, D-E Khan und M Kotzur (Hrsg.), European Union Treaties: Treaty on European Union: Treaty on the Functioning of the European Union (München/Oxford C.H. Beck/Hart 2015); owie gewissermaßen auch M Kellerbauer, M Klamert and J Tomkin, EU Treaties and the Charter of Fundamental R: A Commentary (Oxford Oxford University Press 2019).

[9] Vgl. zur umfassenden Kommentarliteratur nur C Calliess und M Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV – Kommentar (München C.H. Beck 6. Aufl. 2022); R Geiger, D-E Khan, M Kotzur und L Kirchmair (Hrsg.), EUV/AEUV. Vertrag über die Europäische Union Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Kommentar (München C.H. Beck, 7. Aufl. 2022); E Grabitz, M Hilf und M Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV  – Kommentar (77. EL. 2022); T Jaeger und K Stöger (Hrsg.), Kommentar zu EUV und AEUV unter Berücksichtigung der österreichischen Judikatur und Lehre (Wien Manz 276. EL. 2022); H D Jarass (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union unter Einbeziehung der vom EuGH entwickelten Grundrechte und der Grundrechtsregelungen der Verträge – Kommentar (München C.H. Beck 4. Aufl. 2021); M Pechstein, C Nowak und U Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (Tübingen Mohr Siebeck 1. Aufl. 2017); J Schwarze, U Becker, A Hatje und J Schoo (Hrsg.), EU-Kommentar (Baden-Baden Nomos 4. Aufl. 2019); R Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV – Kommentar (München C.H. Beck 3. Aufl. 2018); C Vedder und W Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht – Kommentar (Baden-Baden Nomos 2. Aufl. 2018). Vgl. außerdem J P Terhechte, ‘Kontinuität und Innovation in der frühen deutschen Europarechtswissenschaft. Hans Peter Ipsens „Europäisches Gemeinschaftsrecht“ nach 50 Jahren’ (2022) 77 (23) Juristenzeitung 1121–1172 (1121) für eine Hommage an „das deutschsprachige Standardwerk zum Europarecht“ der frühen deutschen Europarechtswissenschaft.

[10] Im Sinne einer Wissenschaft, die sich intensiv mit Sprache befasst, nicht jedoch zu verwechseln mit der Sprachwissenschaft (Linguistik) als solcher. Zur potenziellen Rolle letzterer siehe etwa B Pirker und J Smolka, ‘International law and linguistics: Pieces of an interdisciplinary puzzle’ (2020) 11 Journal of International Dispute Settlement 501-521.

[11] Siehe hierzu wiederum M Kotzur in diesem Sonderheft.

[12] VO Nr. 1 (ABl. P 017, 6.10.1958, S. 385) Konsolidierter Text: Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 1–71).

[13] Der Brexit könnte gerade dahingehend als positiv gesehen werden, als dass nunmehr kein Mitgliedstaat (Irland und Malta gewissermaßen ausgenommen, obwohl beide mit Irisch-Gälisch (seit 1.1.2022 als vollwertige offizielle Amts- und Arbeitssprache) und Maltesisch als offizieller Amts- und Arbeitssprache in der EU vertreten sind [auf Zypern ist Englisch nur Verkehrs-, aber keine offizielle Amtssprache]) mehr einen Vorteil genießt, dass gerade „seine“ Amtssprache auch eine der wichtigsten Verkehrssprachen in der EU ist. Englisch stellt nunmehr gewissermaßen eine neutrale Arbeitssprache dar.

[14] Siehe bspw. A Künzli, Das Jahrhundert des Esperanto (Bern Interslavica 2018) 104 zu Polen www.plansprachen.ch.

[15] Für die Kritik, dass diese Vereinigung gerade für junge Forscher:innen nicht attraktiv ist, siehe bspw. M Ruffert, ‘Eine Binnenperspektive auf die deutsche Europarechtswissenschaft – zehn Jahre nach der großen Erschütterung‘ (2020) 68 Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 515, 521.

[16] Siehe bspw. die Ergebnisse der 3. Tagung, welche in European Papers veröffentlicht wurden: S Hummelbrunner, L Kirchmair, B Pirker, A-C Prickartz und I Staudinger (Hrsg.), Shaping the Future of Europe (Vol. 6 European Papers, 2021, No 1 and 2).

[17] Dass ein derartiges gemeinsames Medium freilich nur eine notwendige und keine hinreichende Gelingensbedingung ist, zeigt bspw. C D Classen, ‘Kann eine gemeineuropäische Grundrechtsdogmatik entstehen?‘ (2022) 57 (3) EuR 279 in Bezug auf die Grundrechtsdogmatik, welche nach ihm in gemeineuropäischer Ausgestaltung erst in langfristiger Perspektive ersichtlich sei.

[18] European Papers – The Journal, Mission Statement www.europeanpapers.eu (Übersetzung durch DeepL; ergänzt durch die Autoren).

[19] www.europeanpapers.eu mit detaillierten Informationen unter der Rubrik „Submissions“.

 

e-Journal

European Forum

Archive

e-Journal

Forum Européen

Archives

e-Journal

Forum europeo

Archivio

e-Journal

Foro Europeo

Archive